Bericht: Insulinpumpen als Kassenleistung

Insulinpumpen – wann kommen sie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Frage?

Grundlagen der sozialmedizinischen Beurteilung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)

Bei der Verordnung einer Insulinpumpe wird vom behandelnden Diabetologen seitens der Krankenkasse und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zunehmend eine detaillierte Begründung der Verordnung erwartet. Im Rahmen der Antragsprüfung ergeben sich häufig fachliche Differenzen, die bis hin zu einer Ablehnung der Kostenübernahme für die Insulinpumpe durch die Krankenkasse führen.

Selbstverständlich hat der klinisch tätige Diabetologe bei der Verordnung einer Insulinpumpe vorrangig das Wohl des einzelnen Patienten im Auge. Dennoch wird auch der klinische Alltag im Interesse der Qualitätssicherung in der Patientenbetreuung und vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen zunehmend von Erkenntnissen bestimmt, die sich aus systematischer medizinwissenschaftlicher Forschung insbesondere in Form von methodisch hochwertigen randomisierten kontrollierten Studien ergeben.

Hilfsmittel „Insulinpumpe“

Extern tragbare Insulinpumpen und ihr Zubehör sind als Applikationshilfen in der Produktgruppe 03 des Hilfsmittelverzeichnisses der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gelistet und somit als grundsätzlich zu Lasten der GKV verordnungsfähig anzusehen. Das Hilfsmittelverzeichnis sieht eine Prüfung der Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse unter Einbeziehung des MDK vor. Entsprechend werden dem MDK bundesweit Begutachtungsaufträge der Krankenkassen vorgelegt.

Gesetzliche Vorgaben

Gutachter des MDK sind nach Festlegung im Sozialgesetzbuch (SGB) V nur Ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen (§ 275 [5] SGB V), sind aber gleichzeitig in der Begutachtung für die GKV an die Grundsätze für die Leistungspflicht der GKV nach dem SGB V gebunden. Diese gesetzlichen Grundlagen gelten ebenso für die vertragsärztliche Diagnostik und Therapie:

  1. „Qualität und Wirksamkeit der Leistungen der GKV haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.“ (§§ 2, 70 SGB V).
  2. „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“ (§ 12 SGB V).

Dabei ergeben sich die Kriterien für die Prüfung des „allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse“ auch für Hilfsmittel analog der Forderungen des § 135 SGB V (Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) und der von ihm abgeleiteten BUB-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA, Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V – BUB-Richtlinien -) als bewährter Methodik des medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnes.

Der „allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse“ gibt Aufschluss über den zu erwartenden Nutzen der geprüften Methode – hier: der Behandlung mit einer Insulinpumpe – und bildet die Grundlage zur sozialmedizinischen Beurteilung der Zweckmäßigkeit und damit auch der Wirtschaftlichkeit im Einzelfall.

Grundsatzgutachten „Externe Insulinpumpentherapie“

Eine Überprüfung der aktuellen medizinwissenschaftlichen Datenlage für den Vergleich des klinischen Nutzens der Insulinpumpentherapie (CSII) und der intensivierten konventionellen Insulintherapie mit Mehrfach-Spritzen-Regime (ICT) unter bestimmten (sozial)medizinischen Fragestellungen erfolgte in der im Jahr 2006 erstellten „Sozialmedizinischen Stellungnahme zur Behandlung des Diabetes mellitus mit externen Insulinpumpen“, erstellt durch die Sozialmedizinische Expertengruppe „Versorgungsstrukturen“ (SEG-3) der MDK-Gemeinschaft (siehe Anlage).

Als sozialmedizinische Schlussfolgerung ergibt sich darin, unter Berücksichtigung der oben dargelegten gesetzlichen Grundlagen, dass eine Insulinpumpentherapie vom Grundsatz her zunächst nur für ausgewählte Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 1 aus allen Altersgruppen, deren Stoffwechsel durch eine ICT mit mehrfach täglicher Insulininjektion trotz Ausschöpfung von deren therapeutischen Möglichkeiten nicht ausreichend gut einstellbar ist, als Leistung der GKV in Betracht kommen kann.

Diese besonderen diabetologischen Fallkonstellationen, die nach Ausschöpfung der Möglichkeiten der ICT mit mehrfach täglicher Insulininjektion einer Insulinpumpentherapie zugeführt werden sollen, bleiben der dezidierten Einzelfallprüfung durch den MDK im Auftrag der Krankenkassen vorbehalten.

Sozialmedizinische MDK-Begutachtung

Um die Begutachtung für alle Beteiligten transparent und einfach zu gestalten wurden zwei Fragebögen des MDK entwickelt (siehe Kasten linke Spalte). Diese sollen eine strukturierte Anforderung der für die sozialmedizinische Beurteilung erforderlichen Unterlagen beim behandelnden Arzt und beim Versicherten erleichtern. Zur Beantwortung der Fragebögen sind Arzt und Versicherter im Zusammenhang mit dem Antrag auf Kostenübernahme durch die GKV gesetzlich verpflichtet (§ 276 SGB V, § 60 SGB I).

Der MDK-Gutachter hat im Einzelfall zu prüfen, ob

  • ein nachvollziehbares Therapiekonzept vorliegt
  • alle Möglichkeiten der ICT mit Mehrfach-Spritzen-Regime zum Erreichen der individuellen Therapieziele ausgeschöpft
  • dies objektiv nachvollziehbar dokumentiert wurde

Lässt sich feststellen, dass trotz objektiv nachvollziehbarer Nutzung aller Möglichkeiten der ICT die individuellen Therapieziele nicht erreicht wurden, ist eine Insulinpumpenerprobung sinnvoll. Wenn diese dann im Einzelfall nachvollziehbar erfolgreich verläuft, sind die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die weitere Insulinpumpentherapie als Leistung der GKV erfüllt.

Diabetes mellitus Typ 2

Für den Diabetes mellitus Typ 2 ergeben sich bisher Hinweise auf eine Gleichwertigkeit der Insulinpumpentherapie und der ICT. Damit sind die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die Kostenübernahme einer dauerhaften CSII bei vorliegender Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 2 durch die GKV im Einzelfall derzeit nicht erfüllt. Hier ist vielmehr der Verlauf des weiteren medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns abzuwarten, der den evtl. möglichen Stellenwert der CSII in der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 evaluiert. Die Finanzierung der klinischen Forschung ist jedoch nicht Gegenstand des Leistungskataloges der GKV.

Qualitätsanforderungen an die ICT

Nach bisheriger Erfahrung des MDK in der Einzelfallbegutachtung ergeben sich immer wieder Differenzen bezüglich grundlegender Aspekte der Qualitätsanforderungen an eine ICT. Es resultieren daher gehäuft schriftliche Anfragen an den Vertragsarzt zur Vorlage von Unterlagen, die transparent nachvollziehbar machen, dass im Einzelfall die Verordnung einer Insulinpumpe von Nutzen für den Patienten sein könnte. Hierbei stehen u.a. im Vordergrund:

  • Benennung konkreter individueller Therapieziele als Grundlage des diabetologischen Therapiekonzeptes, wie sie z. B. im Gesundheitspass Diabetes einzutragen sind
  • Insbesondere die als Grundlage der diabetologischen Therapieberatung und Therapieanpassung zu fordernde minimale Blutzucker-Messfrequenz pro Tag (siehe auch Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 1)
  • Der notwendige Umfang der Dokumentation der durchgeführten Therapiemaßnahmen und besonderer Ereignisse durch den Patienten sowie deren notwendigen langfristige Aufbewahrung, um später in vergleichbaren Situationen als Hilfe bei der Therapieumsetzung vorhanden zu sein
  • Die Dokumentation und korrekte Umsetzung von individuellen Therapieschemata im Rahmen beider Therapieformen durch die Patienten bezüglich:
    • des konkreten Ziel-Blutzuckers (diese Frage wird oft gar nicht beantwortet, oder es wurde nach Auskunft des Patienten gar kein Ziel-Blutzucker festgelegt)
    • der applizierten Einheiten pro BE (BE-Faktor)
    • des Korrekturfaktors (um wie viel mg/dl bzw. mmol/l senkt eine Einheit Bolusinsulin den Blutzucker?)
  • Die Diskrepanz, dass Patienten die Verzögerungsinsulindosis an den aktuell gemessenen Blutzucker anpassen und gleichzeitig durch den behandelnden Diabetologen unerklärliche Blutzuckerschwankungen im Rahmen der ICT beklagt werden.
  • Angeforderte Kopien des Gesundheitspasses Diabetes der einzelnen Patienten können oft nicht vorgelegt werden (zuweilen erfährt der Patient im Rahmen der Anfrage der Krankenkasse erstmalig von der Existenz dieses Dokuments).
  • Konkrete Anfragen zur Praxisdokumentation bezüglich stattgehabter schwerer Hypoglykämien werden überwiegend nicht beantwortet. Auch werden nachfolgend durchgeführte Therapieanpassungen (z. B. befristete Anhebung des Ziel-Blutzuckers zur Verbesserung der Hypoglykämiewahrnehmung) nicht mitgeteilt oder entsprechende Vorschläge des Gutachters werden abgelehnt mit der Argumentation, der Patient solle doch zur Vermeidung von Folgeerkrankungen möglichst nahe-normoglykämisch eingestellt sein.
  • Häufige Differenzen bezüglich des notwendigen Umfangs und der Dokumentation der durchgeführten Versuche der adäquaten basalen Insulinsubstitution. (Sind die diesbezüglichen Möglichkeiten der ICT mit der Gabe von NPH-Insulin morgens und spätabends tatsächlich schon ausgeschöpft?).
  • Ein „Dawn-Phänomen“ wird oft nicht nachvollziehbar belegt (nächtliche BZ-Dokumentation, Versuche der Korrektur).

Aus sozialmedizinischer Sicht wird aufgrund der Erfahrungen aus der Einzelfallbegutachtung der dringende Appell an die Fachgesellschaft gerichtet, verbindliche Qualitätsstandards zur Insulinpumpentherapie zu definieren, um eine adäquate Patientenversorgung zu gewährleisten.

Die Autoren

Dr. med. Stefanie Außieker
Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin DDG, Sozialmedizin
MDK Nordrhein

Dr. med. Gerhard Habrich
Facharzt für Innere Medizin, Diabetologe DDG, Sozialmedizin
MDK Rheinland-Pfalz

Norbert Kamps
Diplom-Ingenieur
MDS

Dr. med. Christoph Müller
Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologe, Diabetologe DDG
MDK Sachsen

Dr. med. Sibylle Schlepp
Fachärztin für Innere Medizin
MDK in Bayern

Für die Autoren:
Dr. med. Michael Dziuk
Leiter der SEG-3 der MDK-Gemeinschaft
michael.dziuk@mdk-rlp.de